Carola Ensslen fordert mehr Großzügigkeit im Bleiberecht Exklusiv-Interview bei HAMBURG ZWEI

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Im Polit-Talk „5 Minuten Klartext” des Radiosenders HAMBURG ZWEI hat Dr. Carola Ensslen, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft, einen großzügigeren Umgang im Bleiberecht für Flüchtlinge gefordert. Die Juristin spricht sich für eine Bleibeoffensive anstelle einer Rückführungsoffensive aus. „Da sind immer so förmliche Dinge: Es fehlt ein Pass, es fehlt der Identitätsnachweis oder sowas. Das wird dann gerne als Begründung genommen, hier ein Bleiberecht zu verweigern. (…) Somalia ist so ein Land, wo allgemein bekannt ist, dass es gar kein Urkundenwesen gibt und nichts wird anerkannt aus diesem Land. Aber dann sollen die Leute irgendetwas beischaffen, wo am Ende gesagt wird, das zählt nicht und sie kriegen deswegen dann keine Arbeitserlaubnis. Hier finde ich, dass man mit dem Bleiberecht wesentlich großzügiger sein kann”, so Ensslen gegenüber HAMBURG ZWEI..

Kein Verständnis für brutale Abschiebungspolitik
Carola Ensslen berichtet von einem jungen Mann aus Pakistan, der als Dreizehnjähriger nach Hamburg gekommen sei, die Sprache gelernt, die Schule besucht, den ersten allgemeinen Schulabschluss gemacht und einen Ausbildungsplatz gesucht habe. Dieser habe sich auf den mühsamen Weg gemacht eine ID-Karte zu beschaffen und am Ende werde ihm vorgeworfen, dass er jetzt nicht noch den Pass beschafft habe und er wurde in Abschiebehaft genommen. Jetzt soll er abgeschoben werden, das führte zu einem Selbsttötungsversuch. Die Politikerin: „Das finde ich schon sehr dramatisch. (…) Vieles von dem, was ich aufgezählt habe, ist in der Gesamtsumme das, was ich als brutal bezeichnen würde.”

Psychische Gesundheit der Flüchtlinge wird oftmals missachtet

Die Expertin für Flüchtlingspolitik wirft insbesondere dem Bundesamt für Migration vor, die Gesundheit von Flüchtlingen oft eklatant zu missachten. Ensslen führt aus: „Es werden ärztliche Untersuchungen gemacht auf Flugreisetauglichkeit und dergleichen. Oftmals kommen aber die psychischen Belange viel zu kurz. Es werden auch keine entsprechenden Fachärzte eingesetzt, die das beurteilen können.”

Ausländerbehörde und Eingabenausschuss in Verantwortung nehmen
Ensslen erwartet, dass Hamburgs Ausländerbehörde und der Eingabenausschuss Verantwortung übernehmen: „In dem Fall geht es ganz besonders um die Dublin-Fälle, das sind diejenigen, die über ein anderes EU-Land eingereist sind und jetzt innerhalb der Sechsmonatsfrist wieder in das Land zurückgeführt werden sollen. Hier sagt das Amt für Migration, dass es gar keine Entscheidungsspielräume geben könnte. Das ist rein formaltechnisch auch richtig, nur gibt es auch wieder Fälle psychischer Erkrankung und schwerer Traumatisierung mit Suizidgedanken und -gefährdung, wo ich meine: Es zählen Grundrechte aufgrund des Gesundheitsschutzes. Da muss dann die Behörde auch mal dahin gehen und selber gucken und dann auch im Einzelfall eine Abschiebung verweigern.”

Sendetermin für das Interview in der Sendereihe „5 Minuten Klartext” ist am Freitag, 28.01.2022 ab 19.03 Uhr nach den Nachrichten bei HAMBURG ZWEI auf UKW 95.0, über DAB+, Smartspeaker, die Sender-App und im Online-Stream.

Abdruck frei bei Quellenangabe „HAMBURG ZWEI”

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